Rapid Prototyping
 - Zeitvorteile bei der Produktentwicklung

Computer Integrated Manufacturing

Globalisierung, Strukturwandel und zunehmende Innovationsdynamik haben zu
einer Verkürzung der Lebenszyklen von Produkten geführt. Deshalb ist es
heute von entscheidender Bedeutung, dass Fehler bereits in den frühen
Phasen der Entwicklung entdeckt und korrigiert werden. Eine Methode, diesen
Anforderungen gerecht zu werden, ist das sogenannte Rapid Prototyping.
Während der letzten zehn Jahre wurden Techniken entwickelt, mit denen aus
computergenerierten Daten schichtweise physische Modelle aufgebaut werden
können. In kurzer Zeit lassen sich so Prototypen für die Testphase
herstellen. Die Entwicklung eines Produkts kann dadurch bereits in einem
frühen Entwicklungsstadium überprüft werden. Die Verkürzung der
Entwicklungszeiten und die Entwicklung immer leistungsfähiger Computer hat
neue Qualitätsansprüche für die Fertigung physischer Objekte entstehen
lassen. Ende der 80er Jahre kamen die ersten Formen des Rapid Prototyping
zum kommerziellen Einsatz. Bei vielen Firmen konnten durch die Einführung
des Rapid Prototyping Zeiteinsparungen von bis zu 70 Prozent sowie
deutliche Kostensenkungen und Qualitätssteigerungen erzielt werden. Eine
von Denton and Co. unter 312 Anwendern des Rapid Prototyping in den USA
durchgeführte Umfrage ergab, dass zu den Hauptanwendern Verkehrsbetriebe,
Luftfahrt-, Elektronik-, Automobil- und Maschinenbaufirmen gehören. Die
Implementierung von Rapid-Prototyping-Techniken ist in Europa und Japan
jedoch langsamer vorangeschritten als in den USA. Auch die Integration
computer-bezogener Technologien geht in den USA deutlich schneller voran.



Unterschiedliche Verfahrenstypen

RP-Prozesse verändern die Art und Weise, wie Produktionsunternehmen ihre
Produkte entwerfen, modellieren, simulieren und fertigen. Obwohl
RP-Maschinen ähnlich funktionieren, gibt es eine Reihe von
unterschiedlichen Techniken für den Aufbau der Schichten aus den 3D-Daten.
Die Formgebung des Werkstücks erfolgt gegenüber den konventionellen
Fertigungsverfahren nicht durch das Abtragen, sondern durch das Hinzufügen
von Material, also durch einen generativen Aufbau. Die beste Einteilung der
RP-Verfahren lässt sich an Hand der Form des Baumaterials vornehmen.
Stereolithographie (STL) wird bei flüssiger Form, Selective Laser Sintering
(SLS) bei Pulverform, Laminated Object Manufacturing" (LOM) bei fester Form
sowie Fused Deposition Modelling und Multi-Jet Modelling bei geschmolzener
Form eingesetzt. In Deutschland sind vor allem die Fraunhofer Institute,
das Bayrische Laser-Zentrum somit Daimler Benz führend bei der Entwicklung
neuartiger Verfahren.

Bei der Stereolithographie können Modelle oder Musterteile direkt in fast
jeder Grösse automatisch und berührungslos aus CAD-Daten hergestellt
werden. Hierbei erzeugt ein Laserstrahl in einem Wechselbehälter ein
festes, dreidimensionales Modell. Die Stereolithographie verwendet für den
Schichtaufbau ein photoreaktives Harz, das bei der Einstrahlung von
UV-Licht einer bestimmten Wellenlänge aushärtet. Beim japanischen
Kamerahersteller Olympus werden 80% der Anwendungen durch
Stereolithographie- Modelle getestet.  Damit kann Olympus eine Menge
Nachbearbeitungszeit für Werkzeuge vermeiden und deutlich die Kosten
einsparen. Medizinische Modellierungs-Programme konzentrieren sich vor
allem auf Anwendung von RP-Modellen zur Diagnose und Operationsplanung für
Patienten. Das ambitonierteste Forschungsprogrmm im Bereich medizinischer
Stereolithographie-Anwendung ist das PHIDIAS-Projekt in Belgien. Die
Stereolithographie wird vor allem dazu genutzt, um im Rahmen der
Operationsvorbereitung chirurgisch relevante Tomographie-Daten in ein
maßstabgetreues Modell umzusetzen und so den Operationsablauf in seinen
Einzelschritten besser koordinieren zu können. Im Fraunhofer Institut für
Fertigung und Automatisation (IPA) in Stuttgart wird auch an der
Röntgen-Computer-Tomographie gearbeitet, um Prototypen schneller aus
CAD-Modellen entwickeln zu können. Hauptforschungsanstrengungen in den USA
liegen vor allem bei der Herstellung von Hüft- und Knie-Prototypen.

Das Fraunhofer Institut für Produktions-Technologie (IPT) forscht vor allem
an der Lasergenerierung von Prototypen. Im Gegensatz zum einstufigen
Lasergenerieren ist das auf Pulverform basierende Lasersintern ein
zweistufiges Verfahren, wobei Pulverzufuhr und Energieeinbringung zeitlich
nacheinander erfolgen. Das erste Lasersinter-Verfahren, das sogenannte
Selective Laser Sintering (SLS), wurde von der Firma DTM Corperation
entwickelt. Bei diesem Verfahren werden mit einem Roller auf einer in
vertikaler Richtung verschiebbaren Plattform dünne Pulverschichten
aufgetragen, in welche die Schichtkonturen durch einen Infrarotlaser
gehärtet werden. Das Bayrische Zentrum für Lasertechnologie hat sich unter
anderem auf das Lasersintern von Elektroden spezialisiert. Die BLZ-Forscher
arbeiten aber auch an Metallentfernungsprozessen (auch Lasercaving
genannt). Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde ein als
Three Dimensional Printing (3DP) bezeichnetes Verfahren entwickelt, das
Pulvermaterialien über ein mit Düsen aufgetragenes Bindemittel verbindet.

Bei dem auf Baumaterialien mit fester Form basierenden Laminated Object
Manufacturing (LOM) werden Folien aus Papier, Plastik oder Metall
aufeinandergeklebt und von einem mit Spiegeln gesteuerten CO2-Laser
ausgeschnitten. Bei Verfahren mit geschmolzener Form werden feste, körnige
oder pulverförmige Materialien in einem Behälter aufgeheizt und in
geschmolzenem Zustand über eine oder mehrere Düsen aufgetragen. Hierbei
lassen sich plotter- und printer-ähnliche Techniken oder etwas allgemeiner
Vektor- und Rastertechniken unterscheiden, wobei das sogenannte Fused
Deposition Modelling (FDM) zu den Vektorverfahren zählt. Insbesondere das
Fraunhofer Institut für Angewandte Materialforschung (IFAM) hat sich auf
die Herstellung von Bauteilen mit Fused Deposition Modeling (FDM)
fokussiert. Zu den Rasterverfahren gehört das Multi-Jet-Modelling, mit
dessen Hilfe vor kurzem am TNO-Institut in Delft dem ägyptischen Mädchen
Sensaos  sein Gesicht wiedergegeben wurde. Die Verarbeitung tomograhischer
Daten zu einem Computermodell gestattet insbesondere die für die
Archäologie besonders nützliche dreidimensionale Rekonstruktion von
Schädeln und Körperformen.

Rapid Prototyping kann immer dann besonders effizient eingesetzt werden,
wenn das Produktdesign möglichst originalgetreu durchgeführt werden kann.
Je besser der Prototyp (das Mockup) des Produktes ist, desto mehr Aussagen
können über das tatsächliche Verhalten getroffen werden. Für Professor
Nakagawa vom Institute of Industrial Science an der Universität von Tokyo,
liegt die Zukunft von Rapid Prototyping im Bereich von
Hochgeschwindigkeits-Maschinen. Insbesondere im Bereich der Elektronik, wo
es eine Vielzahl von Teilen gibt, können durch Rapid Prototyping schnelle
Design-Wechsel vorgenommen werden. Daimler Benz konzentriert sich
schwerpunktmäßig auf die Herstellung von Werkzeugen als wichtigstem
Anwendungsgebiet von Rapid Prototyping. Die aktuelle Forschung im Bereich
des Rapid Prototyping zielt auf die Verbesserung der Prozesse, der
Wissensrepräsentation sowie der Verfahren zur schnelleren Erzeugung
virtueller und physischer Prototypen. Zukünftig wird auch die Verknüpfung
beider Bereiche wichtig, insbsondere im Hinblick auf neue Kommunikations-
und Organisationsmodelle. Begrenzungen des Rapid Prototyping hinsichtlich
der fertigbaren Grössen und Materialeigenschaften sowie der Typenvielfalt
können zukünftig durch das «Virtual Prototyping» überwunden werden können.
Zum bestimmenden Faktor wird hierbei immer mehr die Software, die die
Entwicklung im Bereich der Simulationstechniken und der Virtuellen
Realitäten maßgeblich forciert.



Auf dem Weg zum Virtual Prototyping

Virtual Prototyping wird zunehmend zu einem festen und beinahe
unverzichtbaren Bestandteil der Produktentwicklung, mit dem Ziel der
Qualitätssicherung, der ergonomischen Optimierung von
Benutzerschnittstellen sowie der Einbeziehung des Anwenders.  Der Bau von
virtuellen Prototypen wird heute in einer Vielzahl von Industriezweigen,
bei der Architektur von Gebäuden, von Computern oder bei der Entwicklung
von Mobiltelefonen angewendet. Virtuelles Prototyping bedeutet, durch
iterative Simulationen ein Modell zu generieren, bevor ein physischer
Prototyp erstellt wird. Virtual Prototyping kann hierbei wesentlich mehr
Alternativen durchspielen als Rapid-Prototyping-Systeme und erlaubt
Testverfahren, die in physischen Umgebungen nur sehr aufwendig zu
realisieren wären, wie z.B. die Simulation von Bedingungen der
Schwerelosigkeit.

Die Boeing 777 war das erste Flugzeug, welches mittels des Programms Fly
Thru zu 100% auf dem Computer konzipiert wurde. Hierbei nutzten die
Boeing-Ingenieure 3D-Visualisierungen, um den Zusammenbau des Flugzeugs zu
simulieren. Boeing setzt hierbei auf das CAD/CAM-System CATIA und arbeitet
mit IBM und Dassault an dessen Weiterentwicklung. CATIA, dessen weltweit
größter Nutzer Boeing ist, erlaubt digitale Produktdefinitionen in der
gesamten Produktlinie eines Flugzeugtyps. Die digitale Vorfertigung von
3 Millionen Einzelteilen der Boeing 777 gestattete es Boeing, die Anzahl der
Design-Wechsel, Konstruktionsfehler und die Nachbesserungszeiten erheblich
zu reduzieren. 1996 starteten europäische Luftfahrt-Firmen und
-Organisationen das Projekt «Spock», welches auch die Kommunikation im
Rahmen von Flugzeugbauprojekten entscheidend verbessern soll. Ziel von
Spock ist es, durch optimierte computerbasierte Kommunikation eine
schnellere virtuelle Produktentwicklung zu erreichen.

«Time-to-market» ist heute für die PC-Hersteller von fundamentaler
Bedeutung, da die Lebenszyklen von Computern mittlerweile nur noch Monate
betragen. Es ist deshalb unumgänglich, Software-Programme zu nutzen, die
die Entwicklungszyklen drastisch verkürzen. So ist es den Ingenieuren in
Hewlett Packards Entwicklungszentrum für Personal Computer in Grenoble
gelungen, durch eine neue Simulations-Software die Entwicklungszyklen für
Hauptplatinen von neun Monaten auf zwei Monate zu senken. Professor Fukuda
vom Tokyo Metropolitan Institute of Technology entwickelt CAD-Systeme,
welche flexibel Veränderungen und Modifikationen im Rahmen von interaktiven
VR-Systemen berücksichtigen können, was insbesondere für die schnelle
Werkzeugherstellung von besonderer Bedeutung ist. Neben den Exo-Verfahren
der Fertigung von physischen Produkten werden zunehmend Endo-Verfahren an
Bedeutung gewinnen, d.h. Simulationen in den Innenwelten des Computers bzw.
den virtuellen Welten des Cyberspace. Virtual Prototyping erlaubt nicht nur
eine schnelle Modifikation der Strukturen, sondern vor allem der Prozesse
in komplexen Systemen. Die objektorientierte Entwicklung eröffnet hierbei
die Chance, Brüche in der Entwicklung zwischen Analyse und Design sowie
zwischen Design und Implementierung zu verkleinern und sogar fast zu
eliminieren. Damit sind virtuelle Prototypen evolutionär bis hin zu
selbstorganisierenden Systemen weiterentwickelbar.

Artur P. Schmidt

Beitrag veröffentlicht am 21. August 1998

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