Meckereien statt Visionen

Als gelegentlicher Besucher von www.visionen.ch muss ich leider feststellen, dass hier von Visionen nichts zu spüren ist. Da wird gemeckert wie in der Stammbeiz, da wird alles schlecht gemacht, was mit der Europäischen Union zusammenhängt. Und da werden Institutionen (Bundesrat, Parlament, Parteien) angegriffen. Jeder Selbstzweifel fehlt. Gott weiss alles, wir Schweizer wissen alles besser.

Muss das so sein?

Unser Land ist wie jedes andere europäische auch, in Bewegung geraten. Globalisierung, der Wegfall der Mauer, die neuen Unsicherheiten der Weltpolitik – wir verkraften sie nicht. Alles geht zu schnell. Alte Feindbilder verschwinden, neue tauchen auf. Alte Vorurteile aber bleiben und übertragen sich auf alles, was nicht "schweizerisch" ist. Die Ausländer. Die Asylbewerber ("alle kriminell und Wirtschaftsflüchtlinge..."). Die europäische Einigung wird umso unheimlicher, je weiter sie fortschreitet. Warum hat eigentlich noch nie jemand ein Buch über die gesammelten Vorurteile der Schweizer geschrieben? Alle Zürcher haben eine grosse Röhre (glauben die Basler). Alle Bebbi haben eine freche Schnörre (sagen die Zürcher). Die Berner sind langsam, die Walliser alle im Tourismus verfilzt. Und die Politiker sind eine neue Klasse, die es zu bekämpfen gilt. Alle Deutschen sind unheimlich. Die Italiener sind faul und die Franzosen nehmen es nie so genau. (Wehe, wenn ein Schweizer auf französischer Autobahn wegen Geschwindigkeitsüberschreitung empfindlich gebüsst wird: "Die Saucheibe hännts wider nur uf d'Usländer abgseh!")

Unter Visionen stelle ich mir eigentlich etwas ganz anderes vor. Visionen sind Gedankenspekulationen für eine bessere Welt. Ob sie realisierbar sind, spielt zunächst überhaupt keine Rolle.Wichtig wäre, dass solche Gedanken überhaupt einmal gedacht und auch zur Diskussion gestellt werden. Einer Diskussion, nota bene, die sich nicht in Hohn und Spott und ständigem Widerspruch erschöpfen sollte. Eine Diskussion, die es ermöglicht, die Gedanken eines oder mehrerer andere, nachzuvollziehen und erst dann zu prüfen, wenn sie aus der Gedankenhülle herausgeschält und geboren sind.

Europa war und ist immer noch eine solche Vision, ein Utopia, das es zu verwirklichen gilt. Nur ein geeintes und vereinigtes Europa kann auf unserem Kontinent Frieden und Wohlstand für alle garantieren. Und um Frieden, in erster Linie, ging es allen den grossen Europa-Politikern der ersten Stunde.

Dass dabei ein Weg gesucht werden musste, dieses Europa zu verwirklichen, der insbesondere die Wirtschaft berührte, aber weniger die einzelnen Menschen Europas, das ist zu bedauern, aber nicht mehr rückgängig zu machen. Doch dieses Europa, das jeden Tag ein bisschen mehr Gestalt annimmt, ist noch lange nicht fertig gebaut. Das demokratische Manko, das föderalistische Defizit – sie sind ohne Zweifel zu beklagen, aber man kann das verändern.

Europa ohne Grenzen, mit grenzüberschreitenden, aber in sich möglichst autarken Volkswirtschaften der Regionen mit grösstmöglicher Bürger- und Bürgerinnennäöhe – das wäre ein anzustrebendes Ziel. Und da nun einmal der Oberbau des neuen Hauses Europa gesetzt ist, die Aufrichte gefeiert ist, folgt jetzt der Innenausbau für den Lebensraum, in dem es uns allen, so sehr wir uns unterscheiden, wohl sein kann.

Ich habe mir eigentlich vorgestellt, dass wir unter www.visionen.ch über solche Themen unsere Gedanken austauschen könnten. Ich fordere alle, die das lesen und mit mir einverstanden sind, auf, Visionen zu haben, diese Diskussion zu führen und mitzuhelfen, dass Europa, wenn immer möglich mit Schweizer Beteiligung, für unsere Kinder und Kindeskinder zur wahren politischen, gesellschaftlichen und familiären Heimat wird.

Die Diskussion kann hier auf dieser Website geführt werden. Oder aber auf einer anderen. Wer hat Vorschläge?

Wohlverstanden: Europa-Skeptiker (auch ich gehöre zu ihnen) sind ebenso willkommen wie klare Gegner einer Schweizer Beteiligung. Aber die Diskussion muss konstruktiv sein und nicht in Meckereien ausarten. Nicht Behauptungen sind gefragt, sondern allenfalls Beweise. Nicht "Wir haben es schon immer so gemacht", sondern "wie könnten wir es besser machen?" muss es heissen.

Antworten, bis wir ein "meckerfreies Medium" gefunden haben an e-mail
bschindler@ztonline.ch.

Name: Bernhard Schindler
Adresse: Oberhubel 33
PLZ/Ort: 5742 Kölliken

Tel: 062 745 93 5= (G)
Fax: 062 745 94 19
E-Mail:
bschindler@ztonline.ch

Beitrag veröffentlicht am 25. Juli 1999

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